Sonntag, 9. November 2008

Obsession und anderes

Irgendwie komme ich in der letzten Zeit öfters auf diesen Begriff. Obsession. Besessenheit.

Also schreibe ich einfach mal auf, was mir in unserem Zusammenhang dazu einfällt. Es mag an der ein oder anderen Stelle ketzerisch klingen, ist aber nirgends abwertend oder herablassend gemeint. (Hey: es geht bei alldem auch um etwas, das mir am Herzen liegt!) Und hoffentlich weckt es ein klein wenig den Diskussionsgeist.

Fraglos gehört das dazu. Die Obsession, meine ich. Zu der Welt, der »Szene«, in der wir uns bewegen. Zu den Muskelmaedels und zu ihren Fans.

Bei den einen ist es der Wunsch, den eigenen Körper entsprechend den eigenen Vorstellungen zu gestalten, bei den anderen der Wunsch, solche Körper zu bewundern und mit solchen Frauen – sagen wir es klar – unter Umständen auch Liebe zu machen.

So weit, so gut. Wobei »gut« eigentlich ebenso das falsche Wort wäre wie »schlecht«. »Indifferent« wäre besser. Denn eigentlich ist das alles ein Spiel, bei dem nichts irgendwie entschieden und klar ist.

Die Frage, mit der sich viele Fans plagen: »Warum gefällt mir das?« Gemeint ist ein ganzes Bündel selbstquälerischer Fragen: »Warum gefällt mir etwas, das alle anderen um mich herum ablehnen, als hässlich empfinden, als Angriff auf ihre sexuelle Normalität, als nicht geschlechtgerecht? Gefällt mir das, weil ich anders bin? Und wie bekomme ich es hin, dass ich es genießen kann, ohne dass jemand anderes das merkt?«

Was dabei fehlt, ist die Frage: »Wie kriege ich das aus meinem Kopf?« Ich würde wetten, fast alle (in der US-Szene als »schmoes« bekannten) Fans scheitern an diesem Unterfangen, weil sie sich ja dann auch gleichzeitig einen Genuss versagen (würden).

Die Lösung heißt: »Heimlich«.
Und das ist anstrengend!

Stellt sich die Frage, bei wie vielen dies das menschliche Miteinander beeinträchtigt. Bei mir tut es das ganz sicher, wobei ich auch nicht weiß, was nun Ursache und was Wirkung ...

Andere? Ich habe nun einiges an Zuschriften bekommen, seit das Ding hier läuft. Bei nicht wenigen vermute ich begründet, dass auch hier die klandestine Befriedigung ihres Fetischs das ist, wie sie damit umgehen. Und auch hier dürfte es nur allzu oft Beziehungsprobleme geben. Und ein Leben, bei dem viele mitunter beträchtliche Teile ihres sauer verdienten Geldes in »muscle worship sessions« und ähnlichem mehr ausgeben. Was aber wiederum auch bei nicht wenigen Leuten einen erholenden und entspannenden Effekt hat: Also gibt es ein einerseits und ein andererseits ...



Doch zu meiner Überraschung waren da unter den Mailschreibern mehr als einmal Leute drunter, die verheiratet/liiert sind und diese Neigung »nebenher« ausleben, die einen heimlich, einige wenige mit mehr oder weniger großer Duldung der Angetrauten.

Da bin ich ein bisschen neidisch und auch ein bisschen neugierig, weil ich nicht weiß, wie das die jeweiligen Frauen zusammenbekommen, also die Begeisterung, die Bewunderung, die Anbetung, die Obsession (je nach Stufe) ihres Mannes für Frauen mit Körpern, wie sie (die Ehefrau/Freundin) definitiv ja zumeist selber keinen hat. Weckt das keine Eifersucht? Keine Angst vor Seitensprüngen?

Und die Muskelmaedels? Woraus speist sich ihre Obsession für ihren Körper? Narzisstische Störung? Der Wunsch, stark und unverwundbar zu sein? Spricht das nicht dafür, dass es ein einschneidendes Erlebnis gegeben haben (kann/muss), bei dem man sich schwach und verletzlich vorkam? Oder ist es einfach nur der Wunsch, rein äußerlich anders zu sein?

Der Wunsch nach dem Superkörper – auch auf die Gefahr hin, dass man sich – als Frau – in den Augen vieler Mitmenschen der als typisch und offensichtlichen Geschlechtsdefinition enthebt? Der Wunsch danach, sich nicht um von wem auch immer erstellte Definitionen von »Geschlecht« und »Sexus« kümmern zu müssen? Der Wunsch nach Androgynität? Oder schlicht der Wunsch nach einem besondern Lebensstil und danach, eigene ästhetische Empfindungen zu realisieren – als Designer der eigenen Physis?

Möglicherweise ist es all das. Ich will und werde da nicht richten. Hier so, da anders. Einerseits die immer wieder zu lesenden, erstaunlichen Hintergrundgeschichten, die von Sucht- und Zwangsverhalten geprägt sind, von fürchterlichen Lebensgeschichten zu erfahren, in denen es um kindlichen Missbrauch geht. Zu lesen, wenn es von Lenda Murray heißt, sie sei Alkoholikerin gewesen (derzeit wohl trocken). Zu sehen, wie viele FBB (genau wie auch die Männer) rauchen. Zu erfahren und sich in dem ein oder anderen Fall zusammenreimen zu können, ja annehmen zu müssen, dass nunmehr der ultimative Körper das suchtauslösende Moment ist.

Andererseits ist dann dieses da: Bei vielen Muskelmaedels, die ich getroffen habe, kommt eins hinzu: Sie sind nicht wenig stolz auf das, was sie sich da antrainiert haben. Und haben schlicht und einfach ihren Spaß dabei, ihre Freude, ihre Lust, einen gesunden, sportlichen Ehrgeuz, so dass man da Fragen nach eventuellen Neurosen ad acta legen kann.

Denn: Wieviele der Leute, die sich selber als normal bezeichnen oder nach außen hin die Fassade immer frisch gestrichen halten, pflegen ähnliche und schlimmere Neurosen oder Süchte oder Obsessionen? Dies aber ohne den Spaß und den Stolz auf den eigenen trainierten Körper? Und: Inwieweit lässt sich Leistungssport überhaupt betreiben, ohne eine gewisse Tendenz zur Obsession? Das doch wohl gilt auch für heutigentags als normal erachtete, aber von Unmassen ausgeübte Extremsportarten wie etwa Marathonläufe!

Also wiederhole ich’s noch mal: Nur weil man etwas tut, was die Masse nicht tut, gibt das niemandem das Recht, ein abwertendes Urteil zu fällen. Wer Briefmarken sammeln will – bitte, seine Sache. Soll man dann vermuten, das sei ein in sich gekehrter Eigenbrödler? Der Angler oder der Jäger ein verkappter Killer? Der Rennfahrer ein eigentlich rücksichtsloser Umweltverbrecher? Der Gourmet ein nur auf die Gaumenbefriedigung sinnender Fresser?

Gäbe es nur die Ziele des Mainstream, gäbe es nirgends etwas Neues. Denn das kann sich nur entwickeln, wenn irgendjemand mal etwas anders macht. Insofern brechen auch unsere Muskelmaedels eine Lanze: Sie definieren selber, was sie für weiblich halten –ohne das männliche Diktat, wie der Begriff der Weiblichkeit zu belegen sei.

Zumal sich – zumindest in körperlicher Hinsicht – da einiges getan hat: Marilyn Monroe sah anders aus als Pink oder Kate Moss oder Heidi Klum, die Rubens-Frauen wiederum entsprechen einem ganz anderen Ideal. Denn das Schönheitsbild änderte sich im Lauf der Zeit immer wieder.

Und was spricht dagegen, dass sich die Frauen das nun einmal selber zurechtlegen? Zumal ihnen der Erfolg ja auch in einigen Bereichen recht gibt: Das muskulöse Erscheinungsbild mancher »Berühmtheit« ist heute kein Aufhebens mehr wert – vor einer Generation sahen so noch viele der geschmähten Bodybuilderinnen aus.

Nun hat sich auch da einiges getan – wie bei den Männern wird die Muskulatur extrem – unter anderem eben auch, weil manche Frau nunmehr seit einer Generation trainiert und ihr Body entsprechend reagiert hat. Ob der extrem muskulöse Frauenkörper ein Ideal wird? Who knows ...

Wer da nun sagt: So einen Körper kriegt man nur, wenn man dies oder jenes tut --- und das ist doch extrem und überhaupt wohl nicht immer gesund ... Antwort: Völlig richtig. Aber ist das Gesundhungern gesund, ist es das – je nach Kultur – Dicksein? Waren die krummgebundenen Füße chinesischer Schönheiten gesund? Die bleihaltigen Gesichtscremes aus dem Rokoko? Die in die Lippen montierten Scheiben mancher afrikanischer Stämme? Ist es gesund, wenn Frauen (und Männer) im mittleren Alter zusehends dicker werden? Na, also!

Hier gilt das alte Sprichwort: »Wer schön sein will, muss leiden.«

Bleibt nur eine Frage. Und ehe ich die stelle, möchte ich darauf verweisen, dass sich mir die aufgedrängt hat, während ich viele im Web stehende Biografien gelesen habe. Daher halte ich die Frage für legitim: Wieso sind relativ viele Bodybuilderinnen Single, wenn es so viele Bewunderer gibt?

Klar, eine Antwort liegt auf der Hand: Gleich und gleich gesellt sich gern – sprich: Wer selber derart athletisch ist, will wohl auch so einen Partner, sprich: Das Muskelmaedel möchte auch einen Mann mit muskulösem Körper. Aber der findet sich nicht überall – und steht unter Umständen mehr auf schlanke oder rundliche Frauen, aber nicht auf athletische.

Die These, dass viele FBB deswegen solo sind, weil sie alle- unangenhmes Thema - andersrum sind, die halte ich hingegen für Kappes. Fraglos gibt es solche Frauen – ja und? Aber mehr als nur ein bisschen steckt in dieser These ja wohl auch ein altes Vorurteil: Wer nicht in die Norm passt und tut, was man sich nicht erklären kann, der seinen eigenen Willen durchsetzt, vielleicht seinen eigenen Traum lebt, den versucht man, auf diesem Weg zu kategorisieren und – unbewusst – herabzusetzen und wieder in die Norm zu zwingen. Quasi gleichzuschalten. Indem man Erklärungen für das als absonderlich erachtete Verhalten sucht.

Und so heißt’s eben, völlig zu Unrecht verallgemeinernd, Bodybuilder seien per se schwul oder lesbisch.

(Dafür, dass von Außenstehenden so ein Vorurteil erhoben wird, kann man an sich erst einmal niemandem einen Vorwurf machen – die Menschen sind halt so. Und dagegen wütend und mit Emphase anzudiskutieren, ist auch zwecklos, da man solche vorgefassten Meinungen damit nur verfestigt. Das einzige, das man als zu Unrecht so Bezeichneter tun kann, ist, es gelassen hinzunehmen und zu sagen: »Okay, ich bin nicht so. Also hast du auch nicht das Recht, mich derart zu klassifizieren und unter Umständen zu diskreditieren. Ansonsten gilt für derlei: Goethe, Götz von Berlichingen, dritter Aufzug!)

Denn wie immer im Leben ist es auch hier so: Die einen sind’s, die anderen eben nicht. Also kann die sexuelle Orientierung höchstens in dem ein oder anderen Fall die Antwort auf die Frage nach der Motivation und dem Lebensstil liefern, aber sicher nicht in allen.

Übrigens ist das mit der durchaus zu Recht als beleidigend empfundenen Reaktion der Umwelt auch kein neues Problem – man blicke einfach auf die Welt der Kunst: Wieviele Maler, Bildhauer, Musiker hatten und haben mit Vorurteil und Verständnislosigkeit zu kämpfen? Sich daran zuschanden gerieben? Es irgendwann einfach ignoriert?

Das längst klassische Gefühl des »Unverstanden-Seins« der Künstler ist doch ein uraltes Phänomen der Psychoanalyse. Und heute eben auch etwas, das sich auf bestimmte Bereiche des Leistungssports erstreckt – zumal einen Sektor wie Bodybuilding, bei dem sich wie nirgends sonst Sport und Kunst überschneiden.

Zurück zu meiner Frage nach dem »Solo-Sein«: Es gibt, so denke ich mir, einen ganz banalen Grund dafür, einen Grund ganz praktischer Natur: Wer sich so intensiv mit seinem Körper befasst, braucht dafür Zeit. Für das Training. Für das sehr sortierte Essen. Für Diäten und auch für die Sache mit dem »D«. Für die Rekonvaleszenz. Die dafür nötige Zeit muss man sich nehmen. Und wenn man dann nur mit Leuten zu tun hat, die einen verständnislos behandeln der gar nach ihren Vorstellung umbiegen wollen, dann hat man die Wahl: Man passt sich an oder man wehrt sich und macht sein/ihr Ding.

Ich wage die These: In vielen Fällen resultiert die Einsamkeit aus der extrem zeitaufwendigen Beschäftigung mit dem Körper heraus. Interessanterweise wieder etwas, das mancher Schmoe und manches Muckimaedel gemeinsam haben dürften.

Das meine ich jedenfalls, so aus meinem Sessel heraus.

So, nachdem ich nun genug Hobby-Freud gespielt und mich nach der Sinnhaftigkeit meines Tuns (dieses hier wie insgesamt) gefragt habe, mache ich für heut Schluss und erfreue mich wieder an ein paar Bildern muskulöser Frauen. Very simple.

Ach ja!!!

2 Kommentare:

  1. Anonym10/11/08

    Es tut mir leid, daß Du bei Deinem Blog nur wenige Kommentare erhältst, obwohl Du von vielen gelesen wirst. Das ist die Natur vieler Schmoes, die es gewohnt sind, lautlos und inkognito zu konsumieren, da sie ihre Vorliebe, obwohl nicht illegal, im Verborgenen ausleben wollen.
    Und ich bin einer davon, nur mache ich heute eine Ausnahme, da mich Dein Artikel berührt hat.
    Die Gewissheit Frauen zu verehren, die, zumindest öffentlich, von 99% der Menschen als abstoßend empfunden werden, steigert bei mir nur noch den Reiz... ich weiß nicht wieso. Es hat dazu geführt, daß ich Bizeps ansprechender finde als Brüste. Sicherlich völlig verrückt, und bis jetzt unheilbar. Obwohl ich daran arbeite, denn die Energie die ich in Heimlichtuerei und das Internet investiere, wäre woanders wohl besser angelegt.

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  2. Anonym21/11/08

    Hey Matt... gern verfolge ich deinen Blog. Du hast das schreiben gut drauf... am anfang des artikels berichtest du über das ausleben der neigung. Ich sitze oft vor dem pc und sehe mir frauen an deren muskeln so gross und so hart sind dass ich fast den verstand verliere. Ich habe eine sehr liebe frau die von meiner neigung weis, und das toleriert.
    Das gibt es sicher nicht oft.
    andererseits, würde sie es nicht tun, wären wir sicher nicht mehr zusammen. schade das sie keine muskellady ist, aber worauf ich hinaus wollte, ich nehme mir die freiheit MUSKELFRAUEN zu lieben, und wem das nicht passt... weisst schon... wir sind gleich , matt...


    femflexfan

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--- mattmuscle, der sich über möglichst viele sinnvolle Kommentare und Anmeldungen bei "Wer mitliest - die Muskelmaedel-Community" in der rechten Blog-Spalte freuen würde ...