Sonntag, 19. Dezember 2010

JMStV --- und weg mit Schaden!

Anders lässt sich das nicht nennen: Der NRW-Landtag verweigerte dem legislativen Monstrum die Zustimmung. Nicht in letzter Sekunde und nicht als Last-Chance-Option, wie so oft zu lesen, denn Brandenburg und Schlweswig-Holstein hätten auch noch zustimmen müssen. Wobei - wenigstens ich - nirgends etwas dazu gelesen habe, wie man denn in der Sandbüchse und an der Waterkant geneigt gewesen wäre, dazu abzustimmen. Nehme mal an, dass man in Kiel und Potsdam froh darüber ist, dass Düsseldorf vorher "veto" gesagt hat.

Egal wie: Das Ding hat nur Schaden angerichtet.

- Zum einen hat es die berechtigten Belange des Jugendschutzes beschädigt. Und das ist das Schlimmste von allem.

- Zum zweiten hat es gezeigt, wie unbeholfen manche Ministerialen (hier die aus R-P, in deren Staatskanzlei diese geplante Novellierung "in mühsamer Kleinarbeit", so die Presse, ausgeheckt wurde) mit der Realität des Internet umgehen. Sachverstand: null. Aber dann alles regulieren wollen. Wie heißt es so schön? "Keine Zähne im Maul, aber La Paloma pfeifen!"

- Zum dritten handelt es sich hier - wie schon bei Stuttgart 21, bei der Elb-Philharmonie oder bei dem Euro-Rettungsschirm um feinste "Wir Klugen oben, ihr Dummen unten"-Politik. Sprich: Stichhaltige Einsprüche sachkundiger Personen sowie die Bedürfnisse bestimmter Gruppen wurden einfach ignoriert; der JMStV sollte "durchgepeitscht" werden. Danke, Zensursula und Konsorten!

- Zum vierten: Die Netzgemeinde dürfte fürderhin einmal mehr allen politischen Versuchen der Einflussnahme aufs Web noch kritischer als bisher gegenüberstehen. Das Vertrauen in die Politik ist beschädigt, einmal mehr.

- Zum fünften ließ sich der Verdacht nicht ausräumen (siehe den Text des AK Zensur), dass da massiv Klientelpolitik gemacht werden sollte: Die angedachten Rating-Maßnahmen hätten der ein oder anderen Institution genutzt, dem Rest des Web aber nicht und dem Jugendschutz auch nicht wirklich. Zumal es da wohl für diverse Parteienmauscheleien relevante Absprachen gegeben hat, die der nach außen verkündeten Absicht auch überhaupt nichts gebracht hätten.

Abschließend: Das Internet funktioniert unter anderem, weil sich hier nicht wenige anonym so mancherlei von der Seele schreiben können. Dass dabei viel Kappes rumkommt: zugestanden. Das aber rechtfertigt noch nicht die mit diesem Vorhaben einhergehende Möglichkeit zur staatlichen Schnüffelei: Wer seine Beiträge hätte klassifizieren und sich selbst gegen die Abmahnkamarilla hätte schützen wollen, hätte das nur ganz zuverlässig mit einem von den zuständigen staatlichen Stellen erstellten und damit auch kontrollierten Tool tun können: Ich nehme an, das Prinzip ist verstanden.

Vielleicht erwischt man so den ein oder anderen, dem ich auch mit Gusto in die Fresse hauen würde - wie gesagt, in meiner Verwandschaft gibt es auch Kinder. Aber viele Leute hätten sich mit ihrem Tun dem Staat gegenüber outen müssen. Und wozu muss der das - selbst bei vom Jugendschutz betroffenen Sachen - wissen, wenn die Betroffenen in dem Kontext insgesamt nichts Strafwürdiges tun? 

Auf Dauer wäre das der Tod des freien Wortes im Web gewesen - zumindest in dem von Deutschland aus bestückten Teil des Web. (Wobei abzuwarten bleibt, was Wikileaks noch für Folgen haben wird. Bei allem Verständnis: Ich kann mich des Verdachts nicht erwehren, dass hier ein völlig selbstgerechter und dazu maßlos eitler Weltverbesserer dem Rest des Globus seine Ansicht aufdrücken wollte - aber das ist ein anderes Thema.) 

Und das Dollste von allem: Das, was die deutsche Kontrollwut da verbrochen hätte, wäre doch nur für einen winzigen und zudem nicht besonders wichtigen Teil des Web von Bedeutung gewesen. Diejenigen, gegen die der JMStV vor allem gezielt hätte, wären doch im Nullkommanichts auf nicht deutscherseits betriebener Seite im Netz gewesen. Wahrscheinlich sind von denjenigen, welche die wirklichen Schweinereien einstellen und damit Geld verdienen, neunundneunzigkommaneun Prozent eh schon woanders.

Der Rest des demokratisch regierten Globus (abgesehen von Australien, da glaubt man auch, ähnlich agieren zu dürfen) hätte gleichsam den Kopf geschüttelt: Es heißt nun mal World Wide Web und nicht German Wide Web. Irgendwie erinnert mich der damit verbundene Größenwahn an etwas, das wir schon mal hatten und das zumindestens ich nicht wieder haben will - von wegen "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen".

So, genug davon. Hoffentlich. Mal sehen, was ich die Tage noch zu unserem Lieblingsthema zustande bringe. 

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