Samstag, 5. Januar 2008

Das böse, böse D-Wort

Es geht um Doping.

Das muss man sich mal reintun: Da sagt eine Bodybuilderin, sie sei dafür, in ihrem Sport die Dopingtests abzuschaffen. Die provokante Aussage stammt von der entzückenden Merle Mohr und ist auf der Gunsite in ihrem aktuellen Profil nachzulesen.

Die Aussage brachte bis jetzt noch nicht keine große Diskussion zustande, schon gar nicht das übliche, von künstlicher Erregung geprägte Gezeter vieler Funktionäre und Politiker. Ich habe lang über das Thema nachgedacht und bin da schon vorher zu Schlüssen gekommen, die in eine ähnliche Richtung wie die von Merle Mohr gehen. Zumindest weichen sie von dem als allgemein verbindliche Erachteten ab.

1) Wie gesundheitsschädlich ist Doping wirklich?

Ich würde das Doping freigeben, zumindest partiell. Meiner Meinung nach gibt es so gut wie keinen leistungssportlichen Sektor, der nicht davon betroffen ist (wobei es fraglos welche gibt, bei denen es nicht viel nutzt).

Um mit dem gesundheitlichen Aspekt anzufangen: Den gibt es. Sonst würden keine Radprofis tot vom Bike kippen. Sonst hätte es keine Fälle wie den der Siebenkämpferin Birgit Dressel, den des Bodybuilders Andreas Münzer oder der US-Brüder Mike und Ray Menzer gegeben. Sonst würden die Doping-Gerüchte um den frühen Tod von Florence Griffith-Joyner nicht verstummen (als ihre Bezugsquelle wurde öfters die FBB Dorothy Herndon genannt).

Fragt sich bei alldem nur: Wie ungesund ist Doping wirklich? Ist das immer so, oder ist das von Fall zu Fall anders? Vielleicht habe ich’s ja überlesen, aber mir scheint, dass es da keine konkreten Zahlen gibt. Anders als beim Sterben oder beim Schwangersein gibt es hier sehr wohl noch andere Alternativen als ganz oder gar nicht.

Natürlich weiß ich von den ehemaligen, publizistisch gern breit herausgestellten Ex-Muskelathleten, die noch heute an den Folgen ihrer chemischen Mast laborieren und daher mit Fug und Recht warnen. Aber die Gegenfrage sei gestattet: Wieviele Sportler haben gedopt (und durchaus intensiv), ohne dass Spätschäden auftraten?

Kann es sein, dass es auch hier die Frage der Dosis ist sowie das, was jeder einzelne verträgt? Dass man also noch weit davon entfernt ist, allgemeinverbindliche Regeln dazu zu haben, was schadet und was nicht? Was wiederum daran liegt, dass fast alles im Verborgenen stattfindet und sehr viel im nicht dokumentierten, fraglos gefährlichen Eigeneinsatz ausprobiert wird.

Nächste Frage: Wenn das Doping an sich so gefährlich ist, warum riskieren so viele Sportler ihre Gesundheit? Sind die wirklich alle so doof oder besessen, dass sie etwaige Risiken komplett ausblenden? Oder was? Ich glaube, zum Teil ist das so. Äußere Zeichen wie Steroid-Akne und Brustdrüsenprobleme bei Männern belegen das. Und bei Frauen sind da die Tendenzen zur Vermännlichung, etwa die tiefergelegten Stimmen und das Wachstum intimer Körperteile. Das ist das eine. Das andere ist dies: Wieso haben nicht gerade wenige Leistungsbodybuilderinnen während ihrer Karriere gesunde Kinder bekommen können?

Irgendwie geht die Gleichung „Doping = immer lebensgefährlich“ für mich nicht auf. Es gibt dabei Gefahren, aber eben keine zu hundert Prozent berechenbaren.

2) Die Rolle von Funktionären, Politikern und Öffentlichkeit
Alle, alle, alle äußern unisono ihre vehemente Ablehnung. Das aber sind die gleichen Leute, die bei Olympia die Medaillen zählen, die sich mit Sportlern ablichten lassen, die Athleten Verdienstmedaillen umhängen und die sie für ihre Werbezwecke einschalten.

Merke also: Kein Doping ohne diese äußeren, gesellschaftlichen Umstände.

Dass der kleine Mann nicht bei jeder Sportart hinter die Kulissen gucken kann – klar. Dass aber Funktionäre, zum Teil aus dem politischen Lager stammend, so tun, als sei ihr Bereich so sauber wie ich nach der morgendlichen Dusche, das halte ich für einen Skandal. Mir kann niemand erzählen, dass etwa die Telekom-Leute nicht gewusst haben, was vorgefallen ist.

Um es klar zu sagen: Ich halte solche Funktionäre für verlogene Heuchler. Erst schaffen sie t ein entsprechendes, den Spitzenathleten zum Doping führendes Klima. Hinterher wollen sie Pontius-Pilatus-mäßig von nichts etwas wissen. Der gleiche Zynismus herrscht bei Politikern, die die Sportler hofieren, sowie bei Unternehmen, die mit Athleten werben, enttarnte Sportler aber auf Entschädigung verklagen. Und dieser Ungeist herrscht bei Behörden, deren Vertreter aus Gründen der Profilierung sich solche Fälle zur „Aufklärung“ herauspicken.

Ich lasse mir nicht erzählen, dass es um sauberen Sport geht. Es geht um das Image des sauberen Sports – das aber ist ein großer Unterschied. Solange das Image stimmt, darf hinter den Trennwänden laufen, was immer da läuft. Das mit dem sauberen Leistungssport ist ein Ammenmärchen. Das war es schon in der Antike. Sobald es an mit dem Sport verbundene Verdienst- und Ruhm-Möglichkeiten ging, wurde auch da bis zum Möglichen getrickst. Mal abgesehen vom Doping, gibt es immer noch die unsaubere Wertung, die Leistungen ebenfalls verzerrt und kaputtmacht.

Neben dem Zaster gibt es noch eine Doping-Ursache: Das „Höher, Schneller, Weiter“ als leistungssportlicher Grundgedanke. Dabei wird nicht die jeweilige Leistung eines Wettkampfes für sich gemessen, sondern immer in Kontext und Relation eines absoluten Rekordes gestellt. Solange das gesellschaftlich so gewollt ist, wird jede sportliche Leistung relativiert, bis sie nicht ihrerseits einen solchen Rekord darstellt. Und solange dieser Geist herrscht, werden Sportler natürlich versuchen, einen existenten Rekord zu brechen.

All das unter Ignoranz der Tatsache, dass Mutter Natur dem Menschen Grenzen setzt. Mag sein, dass Bob Beaman über acht Meter springen konnte. Aber ich glaube nicht, dass ein – top trainierter – Mensch ohne Hilfsmittel etwa zehn oder zwölf Meter weit springen kann. Das mit den Grenzen gilt für aerobe wie anaerobe Ausdauer, das gilt für Schnelligkeit, das gilt für Konzentrationsvermögen und Leistungskraft. Ich glaube einfach nicht, dass Menschen immer schneller laufen, schwimmen, springen, heben als alle anderen zuvor können - da gibt es einfach evolutionäre Grenzen. Natürlich gilt das auch für den Muskelaufbau.

3) Wie definiert sich Doping - und warum?
Wenn aber da immer mehr und bessere Leistungen herauskommen, kann das nur unter Zuhilfenahme der Wissenschaft erfolgen. Was aber ist Doping, was eine erlaubte Nahrungsergänzung, was ein ethisch-unstatthafter Eingriff in den Körper, was eine physiotechnische Errungenschaft? Die Grenzen scheinen mir arg willkürlich und zum Teil nicht nachvollziehbar gezogen.

Viele Leute haben heute Figuren, die man vor gut zwei Generationen für absolute Ausnahmen hielt. Die tadellose Athletenfigur ist zwar noch nicht die Norm, aber sie ist viel, viel weiter verbreitet als ehedem (was nicht nur daran liegt, dass es heute mehr Menschen gibt – ich meine das natürlich immer in Relation). Und viele Sportler präsentieren sich mit Leibern, die noch vor zwei Generationen zum Gewinn jeder Bodybuilding-Meisterschaft gereicht hätten.

Alle gedopt? Ich wiederhole: Es kommt darauf an, was man darunter versteht. Viele unserer Nahrungsergänzungsmittel haben Wirkungen, von denen man früher nur träumen konnte. Sie zählen aber nicht zu den Dopingmitteln. Trotzdem ist die Wirkung enorm. Und angesichts dessen nimmt mancher sofort das böse D-Wort in den Mund, obwohl möglicherweise keins der verwendeten Nahrungsergänzungspräparate zu den offiziellen Dopingmitteln gehört.

Noch mal: Wo ist die Grenze? Wer zieht die? Warum? Wer profitiert von mancher Grenzziehung?

Hinzu kommt: Doping funktioniert nicht so wie die Sache mit Popeye und dem Spinat – also Dose auf, Inhalt runterschlucken und sich am plötzlichen Mega-Muskelzuwachs freuen. Nein. Wer Erfolge im Leistungssport nur auf Doping zurückführt, lügt: Alle Sportler, die dabei aufgeflogen sind, haben in unglaublichem Maß trainiert und gemacht und getan.

Beispiel Radprofis. Es ist eine Sauerei, die hier übliche Quälerei einfach dadurch zu desavouieren, indem man alles auf die illegalen Mittelchen schiebt. Andererseits ist es eine Illusion zu glauben, dass die Radler die immer härter werdenden Strecken nur deshalb immer schneller bewältigen, weil sie besser trainieren, gezielter essen und auf Hightechrädern sitzen. Logischerweise wird hier nachgeholfen. Desungeachtet ist die Leistung enorm.

Beispiel Bodybuildung: Auch hier wird sich geschunden, dass die Schwarte kracht. Ich habe neulich ein Video mit der tollen, hünenhaften Betty Pariso gesehen. Und was die da mit Ende Vierzig noch an Unmassen in der Beinpresse bewältigt, war jenseits dessen, was zu meinen aktiven Zeiten die stärksten Typen in den von mir besuchten Einrichtungen bewegen konnten.
Sport und Leistungssport sind zweierlei, da mit unterschiedlichen Zielen verbunden. Jede Art von Leistungssport ist ungesund, weil notwendigerweise auch dann betrieben, wenn der Körper nach Erholung verlangt. Um hier im Rennen und am Ball zu bleiben, wird nachgeholfen. Ebenso dann, wenn es darum geht, Grenzen zu sprengen. In der Leistung wie im Wachstum der Muskeln.

Das kann man nun verwerflich finden und sagen, dass dann ja bloß ein Chemielabor gegen das andere antritt. Das aber ist oft wahrscheinlich schon seit Jahren der Fall. Wäre es da nicht vernünftiger, mit Doping kontrollierter umzugehen, wenn man schon damit leben muss?

Denn merke auch: Fast jedes Doping ist ungesund, wie alles im Übermaß Genossene und Getane. Und jede Art von Sport nutzt, wie sie auf Dauer auch schädigt. Der Verschleiß liegt in unserer Natur. Doch denke ich auch, dass jeder Couch Potatoe, jedes Bürositztier, jeder enorm Gestresste, jeder Kaffeetrinker, Raucher, Fettesser prinzipiell ungesünder lebt als ein zwar dopender, aber sonst auf sich und seine Ernährung achtender Leistungssportler.

Zum Schluß noch das: Wer all das in Maßen tut, der zufrieden ist und halbwegs mit sich im Reinen, der kann auch mit einer gelegentlichen Ernährung des Typs „vitaminarm und fetthaltig“ unter Umständen gesünder leben als ein an sich leidender Asket oder ein vom Stress Geplagter. Es gibt Dinge, auf die wir trotz allem Fortschritt keinen Einfluss haben. Davon bin ich überzeugt. Wie anders kann es sein, dass ein Modellathlet wie Steve Reeves in seinen Siebzigern starb, ein dicker Mann wie der berühmte Filmregisseur Alfred Hitchcock aber achtzig Jahre alt werden durfte?

4 Kommentare:

  1. Anonym6/1/08

    Ein heisses Thema über da sich bestimmt diskutieren lässt solange man mit beiden Beinen auf dem Teppich bleibt

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  2. Anonym6/1/08

    DU SOLLST NICHT DOPEN!

    Du sprichst viele Punkte an und kommst zu interessanten Schlußfolgerungen, aber ich möchte die Gegenfrage stellen zu der Frage, die ich hier herauslese: "was spricht eigentlich gegen das Dopen?", nämlich, was spricht denn eigentlich dafür? Ich denke der Menschheit würde nichts fehlen, wenn es keine Dopingmittel gäbe. Das Problem entsteht allein dadurch, daß eben einige Sportler Dopen, weil sie glauben dadurch ihren Konkurrenten überlegen zu sein, und so alle anderen Wettkämpfer zum Dopen zwingen, sofern sie um den Sieg mitkämpfen wollen.

    Um diesen Mechanismus auszuhebeln finde ich es völlig richtig, das Doping zu verbieten. Denn die besten Sportler werden als Helden einer ganzen Nation gefeiert, ein Sieg in einem fairen Wettkampf ist moralisch und menschlich bei uns über jeden Zweifel erhaben und sollte eine solche Größe und Strahlkraft besitzen, daß auch der unterlegene Sportler nach der ersten Enttäuschung über seine Niederlage spürt, daß auch er großes geleistet hat und sich der edelsten und größten Menschlichkeit hingeben kann, nämlich der Freude über das Glück eines anderen.
    Wie wirkt neben dieser Feier der athletischen Körper, der Schönheit der Natur und des Lebens, die Entscheidung für Doping? Die Entscheidung für einen miesen, kleinen Trick, eine kleine Abkürzung? So ein dopender Charakter würde in einem Wettkampf doch auch jede andere Chance zum Betrug nutzen, und nun nutzt er eben die niederträchtigste, nämlich er erhöht den Einsatz den seine Gegner bereit waren zu bezahlen – die vollkommene Hingabe, das tägliche Training, das Opfern der Freizeit, das Zurückstellen von Beziehungen, das Verzichten auf Karriere außerhalb des Sports - er erhöht diesen Einsatz ins unbezahlbare, nämlich um unser höchstes Gut, die eigene Gesundheit.

    Und bei unserem kleinen Lieblingssport, dem Bodybuilding der Frauen, soll Dopen eine gute Sache sein? Pervers ist es.
    Eine Strafe für unsere Lust an weiblichen Muskeln, daß ihre schönsten Ausformungen nur durch Doping erreicht werden können. Wenn Doping, daß ja inoffiziell im Bodybuilding sowieso geduldet wird, nun offiziell erlaubt würde, wo liegt dann die Grenze nach oben? Die Bodybuilder kennen in ihrem Körperkult kein Maß und keine Zurückhaltung, wenn alles erlaubt ist würde auch alles getan werden, was zum Sieg nötig ist. Es gibt zum Beispiel ein Öl, das man direkt in den Muskel injeziert, wo es in kleinen, inneren Verhärtungen vom Körper in einer Abwehrreaktion eingelagert wird, das sogenannte Synthol. Was hat denn das noch mit Sport zu tun? Sich die Muskeln prall spritzen? Ist das dann nicht auch legitim, wenn Dopen erlaubt ist? Stehen in einigen Jahren aufgespritzte Damen mit SilikonMUSKELN auf der Bühne und GEWINNEN die wichtigsten Titel der Bodybuildingwelt? Diese Vorstellung ist für mich unerträglich und für Euch hoffentlich auch…

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  3. Anonym6/1/08

    Jeder/ Jede sollte selber wissen was er/sie tut...
    Ich habe nichts dagegen im Sport so gut wie nur möglich zu sein... Wo fängt Doping an? Egal...

    Euer muskelliebender femflexfan

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  4. Anonym7/1/08

    Du sprichst mir aus der Seele dongonzor...

    Mfg Luvem

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