Auf den Bildern immer eine Figur zum Niederknien, dazu die blonden Haare und eine insgesamt fröhlich wirkende Ausstrahlung – ein Bild von so viel Kraft und blühender Gesundheit, dass man als büro- und stressgeplagtes Wrack vor Neid erblassen konnte.
Doch auch Bilder trügen: Grad mal 40 Jahre alt durfte Shelley Beattie werden. Sie starb nach mehrmonatiger Erkrankung am 16. Februar 2008.
Ihre Karriere wirkte auf den ersten Blick wie aus einem Bilderbuch: Shelley Beattie besaß eine sehr harmonische, symmetrische Muskulatur, wirkte immer gewaltig und dennoch äußerst feminin, sie war nie hager, geschweige denn im Gesicht vermännlicht. Seit ihrem 14. Lebensjahr „am Eisen“, gewann sie 1990 als Schwergewichtlerin ihre erste US-Meisterschaft und sorgte sofort durch ihr Äußeres für Aufsehen.
Und da war mehr als nur ihre Wahnsinnsmuskulatur und das schöne Gesicht. Irgendwie schimmerte auf all den Bildern, die ich von diesem Muskelmaedel gesehen habe, so eine Art offener, ehrlich-naiver Freundlichkeit durch – auf mich machte sie immer den Eindruck einer Person, welche die Amerikaner „gentle giant“ nennen. Nun, Bilder können trügen, aber das war jedenfalls mein Eindruck.
Kein Wunder, dass sie schon während ihrer Profikarriere bei den „American Gladiators“ anheuerte; sie war da als „Siren“ bekannt. Und wirkte als Rollenmodell für unzählige junge Amerikanerinnen, die ihrem Vorbild nacheiferten. Auch außerhalb des Bodybuilding sammelte sie sportlichen Lorbeer, etwa als Teilnehmerin des ersten Frauen-Segelteams beim America’s Cup.
Und ein Blick auf ihr Leben zeigt, dass da nicht so alles ganz einfach war: Zum einen war sie (das wurde in diesem Blog früher schon mal vermerkt) nach einer Medizinüberdosis im frühen Kindesalter nahezu taub. Ein Handikap, gegen das sie ihr Leben lang kämpfen musste. Übrigens auch in ihrem Sport: Immerhin bewegen sich Bodybuilder ja nach den Klängen von Musik – und die muss man dazu ja hören können. Sie hat sich aber offensiv damit auseinander gesetzt, hat sich für davon Betroffene stark gemacht. Sie hat sogar den Erlös aus dem Verkauf einer von ihr entworfenen Kleiderserie der „American Athletic Association for the Deaf“ gespendet und war lange Sprecherin für die Anliegen schwerhöriger/tauber Menschen.
Zum zweiten litt sie an dem, was die Amerikaner „bipolar“ nennen, auf Deutsch: sie war manisch-depressiv. Zum dritten hatte sie auch einiges an Beziehungen hinter sich: Wenn mich meine Erinerungen nicht trüben, dann war sie zeitweilig mit John Romano liiert, der lange für „Muscular Development“ geschrieben hat. Jedoch in den letzten Jahren lebte sie mit Julie Moisa zusammen – einer Frau: Shelley Beattie hat wohl auch in Sachen Liebesleben lange gebraucht, bis sie zu ihrem wahren Ich gefunden hat und sich auch bei den Schwulen-Lesben-Paraden ihrer Heimat dann öffentlich mit ihrer Freundin gezeigt hat.
Jedenfalls fand sie trotz alledem die Kraft, sich sozial zu engagieren. Sie galt, zumindest gemäß dem, was nun im Web verlautet, als äußerst fürsorglich. Und blickt man auf diese Karriere und das Leben zurück, so war beides trotz seiner Kürze alles in allem wohl erfüllt.
Woran sie starb? Sie war wohl in den letzten Monaten krank, das weiß man. Was sie hatte? Da rätseln im Moment alle; die Spekulationen nennen alles von AIDS bis hin zu Steroid-Mißbrauchsfolgen und den medikamentenbedingten Folgen ihrer manisch-depressiven Erkrankung. Ich äußere mich dazu nicht. Vielleicht kommen noch nähere Informationen. Wenn nicht, dann eben nicht. Das sollte dann bitte auch die Sache der Familie bleiben.
Wir Fans sollten sie als das in Erinnerung behalten, was sie war: eine erstklassige Bodybuilderin und dazu eine Frau, die trotz all ihrer Handikaps nie klein beigegeben hat und so zum Vorbild für viele andere wurde. Nicht das Schlechteste, was man über einen Menschen sagen kann.
Links: Shelley als Gladiator "Siren" im Dezember 1992 auf dem Cover einer US-Zeitschrift für Gehörlose (doch, die haben so etwas: Amerika, du hast es besser ...)
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