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And now something completely different:
Ich nehme an, inzwischen haben alle mitbekommen, was da im hohen Norden ein durchgeknallter, menschenverachtender und niederträchtiger Politspinner angerichtet hat. Und was fällt den Politikussen ein, na?
Ne Menge. Die Gunst der Stunde nutzen,
- um jeden Andersdenkenden zu diskreditieren (das machen die Linken)
und
- um jede Verantwortung für etwaiges geistiges Urheber- und Patentum abzulehnen (das machen die Rechten).
Ja, und vor jedem hingehaltenen Mikro schnelle Lösungen präsentieren, als die Norweger mit ihrer Untersuchung noch nicht mal angefangen hatten. Das zeugt von Kompetenz, da kann man moralisch glänzen, da signalisiert man Handlungsfähigkeit - zumindest scheinen das die üblichen Verdächtigen aller Parteien zu glauben, sonst würden sie's nicht dauernd tun.
Was noch?
Das übliche halt:
Killerspiele verbieten.
Den privaten Besitz von Schießeisen verbieten.
Und jetzt das Beste: Die Anonymität im Web verbieten.
Doch, echt.
Der Innenminister aus Deutschland hat sich entsprechend zu Wort gelassen.
Menno! Dass da noch niemand drauf gekommen ist. Das ist doch mal das Ergebnis messerscharfen Nachdenkens. Wir untersagen alle Postings unter Pseudonym, überhaupt sämtliche web-interne Agieren muss fürderhin unter dem richtigen Namen geschehen. Dann gibt's keine solchen bösen Bubis mehr, weil denen ja dann die Plattform und die Info-Möglichkeiten fehlen. Selbstverständlich halten die sich ja auch an dieses Verbot, selbstverständlich hirnen die dann nicht über Wege und Möglichkeiten, ihr böses Tun auch künftig klandestin vorzubereiten. Das wäre ja noch schöner!
Mal abgesehen davon, dass solche Vorschläge selten naiv wirken und erneut von völliger Unkenntnis der Web-Welt zeugen: Die Anonymität im Web ist ja nichts Neues. Sie ist eigentlich eine direkte Fortsetzung des anonymen Schreibens und Publizierens per se (was wiederum nur einen Teilbereich davon bildet, warum man unter Decknamen lebt).
Beim Schreiben ist es das also, was unzählige Leute genutzt haben, um zum Beispiel auch mal Unangenehmes ans Tageslicht zu fördern, ohne dafür postwendend gerädert und gevierteilt zu werden. Siehe Alexej M. Peschkow alias Maxim Gorki, siehe Martin Luther, der ohne sein Alias Junker Jörg wohl kaum die Zeit als Vogelfreier überlebt hätte.
So was braucht's ab und zu auch, um zumindestens im erlernten Metier arbeiten zu können. Das gilt nicht nur für Diktaturen. Nö, das betrifft auch Demokratien. Siehe all die Drehbuchautoren und Schriftsteller und Filmemacher, die zu Zeiten der McCarthy-Hetzjagd in Hollywood auf der Schwarzen Liste standen - einige konnten wenigstens unter Aliasnamen weitermachen.
Um ungeachtet des Geschlechts für das wahrgenommen zu werden, was mann/frau zu sagen hat - deswegen nannte sich Charlotte Bronte zeitweise Currer Bell. Und auch, um sich künstlerisch frei bewegen zu können - von Voltaire heißt es, er habe weit über 100(!) Künstlernamen geführt. Oder wie die "5 PS" von Kurt Tucholsky - neben dem eigenen Namen waren das Ignaz Wrobel, Theobald Tiger, Peter Panter, Kaspar Hauser. Und das ermöglichte ihm, alle Klaviaturen schriftstellerischen Tuns auszuprobieren und so seine Texte eben besser wahrgenommen zu sehen.
Deswegen nannte sich Stephen King auch zeitweilig Richard Bachman.
Manchmal braucht's das auch, um Geld verdienen zu können, das man unter eigenem Namen nicht verdienen kann, weil man damit anderweitig gebunden ist. Unzählige Schriftsteller, Journalisten, Reporter, Autoren haben das getan, ich auch schon mehrfach.
Und es ist auch mitunter nötig, um einen zum Genre passenden Namen zu haben: Nikolau von Michalewsky klingt sehr vornehm, da denkt man an alten polnischen Adel. Aber Mark Brandis - wow, das ist perfekt für einen Autor von Science-Fiction-Stories. Das Pseudonym als Mittel zur Illusionserzeugung - Marilyn Monroe war "marketable", Norma Jean Baker dagegen nicht. Dito Cary Grant, bürgerlich Archibald Leach, das klingt dann nicht so besonders.
Daniel Defoe (das ist der mit "Robinson Crusoe") hat unter Pseudonym geschrieben. Samuel Clemens Langhorne nannte sich Mark Twain. Und Herbert Frahm wurde in der Stunde der Not zu Gunnar Gaasland und Willy Brandt - ohne diese Namen hätte er manche schlimme Stunde nicht überlebt und mancherlei Wichtiges nicht tund können. Übrigens: Dem bot Norwegen einen neuen Namen und Zuflucht. Das Norwegen, das nun die Folgen dieser Tragödie mit Ruhe und Besonnenheit angeht und nicht mit der weiter südlich so gern demonstrierten, telegen-operativen Hektik, die aber in Realität aussieht wie Hysterie.
Und ich? Ich nenne mich eben hier mattmuscle. Weil das zu meinem hier behandelten Thema passt und weil ich in meinem "anderen Leben" einfach keine Lust habe, dauernd meine Vorlieben diskutiert, belächelt, bespöttelt zu sehen und mich rechtfertigen zu müssen. Die, die mich nehmen, wie ich bin, die, die mich intim kennen, die wissen um meinen Spleen. Sind nicht viele. Die anderen geht's nichts an.
Ich will aber die Leute weiterhin beglücken. Das bezieht sich auf diejenigen, die sich für mein Geschreibsel interessieren, die sich davon vielleicht gar unterhalten lassen, denen meine Zeilen mitunter auch mal helfen. Das aber geht momentan am besten unter Pseudonym. Also benutzte ich es. Tut niemandem weh und versetzt mich in die Lage, auch diese Seite von mir etwas auszuleben.
Ach, ich hör auf. Ich denke, der letzte Dödel hat kapiert, dass ein Pseudonym etwas Nützliches ist. Und nicht nur etwas, hinter dem man sich wie dieses durchgeknallte, hinterfotzige Arschloch (nein, ich entschuldige mich nicht für diesen Ausdruck) und andere seines Schlages (egal ob rechts- oder sonstwie radikal und immer menschenverachtend) verstecken können.
Die meisten Politiker sind offensichtlich geistig gesunde Leute. Und gebildet. Also sollten sie um die eminent wichtige Bedeutung eines Pseudonyms Bescheid wissen. Und auch, dass sich die totale Sicherheit nicht herstellen lässt.
Wer trotzdem nun im Web völlige namentliche Klarheit fordert, dem muss man komplette Unkenntnis dieser Sphäre unterstellen dürfen. Entweder dies - oder da gibt es andere Motive. Da muss man annehmen, dass es um mehr geht als um die immer wieder gern zitierte Sicherheit für alle. Nö, da handelt es sich schnöde um Kontrolle und um Macht und um Einfluss und um Begrenzung. Die Welt baut das Web, damit die Deutschen es regulieren können.
Und was kommt als Nächstes? Richtig: Überhaupt keine Pseudonyme mehr! Wer braucht das schon in einer Welt wie der unseren, wo doch nur gute Leute wohnen, die sich nicht tarnen müssen?
Solche Ansinnen lassen mich jedesmal fassungslos zurück. Meinungsfreiheit funktioniert leider, leider auch in Demokratien nun mal bei weitem nicht so, dass jeder mit "offenem Visier" alles frei heraus und ohne Gefahr von Repressalien jedweder Art sagen oder schreiben kann. Da hilft ein Deckname, dass manches Wichtige überhaupt den Weg von der Denkstube über Zunge und Gebeiß in die Welt findet. Natürlich wird auch mal Missbrauch damit getrieben. Aber auch das war schon immer so.
Daher kann das doch nicht jedesmal wieder der Vorwand sein, um noch mehr Freiheiten zu kappen. Denn dann wird aus der Demokratie eine Demokratur und dann eine Diktatur.
Oder?
Das hier hat nun nichts mir unserem Thema zu tun. Mir war es aber wichtig. Und weil es mein Blog ist, habe ich's auch hingeschrieben.
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