Samstag, 15. Juni 2013
Muskelmaedels und Sexismus
Reden wir mal drüber. Wird ja auch Zeit.
Denn das Thema brennt - zumindest in den Kreisen der FBB und ihrer Fans - immer wieder auf den sprichwörtlichen Nägeln.
Aber da muss man a bisserl untergliedern (und das alles auch bitte mit Humor - daher die eindeutig-zweideutigen Cartoons).
1) Sexismus und die Fans
Das ist das Thema, bei dem wir mit alle mit dem Faible, der Macke, dem Spleen oder dem Fetisch gern weggucken. Ist doch harmlos, oder? Wir wollen doch nur spielen. Wir gucken doch nur. Sicher, sicher - und mehr als einer reduziert dabei diese athletischen Frauen völlig auf ihren muskulösen Körper.
Gut möglich, dass der ein oder andere sich auch dafür interessiert, wie das jeweilige Muskelmaedel denn als Mensch ist, was für eine Persönlichkeit es hat und was für Vorlieben, Interessen, Neigungen, Abneigungen, Wehwehchen etcetera. Aber: Wenn ich mir als leider nicht mehr junger Kerl ansehe, mit welchen Schwierigkeiten ich noch vor knapp 20 Jahren kämpfen musste, um an entsprechendes Bildmaterial zu kommen, dann staune ich nur noch über die heute per Mausklick verfügbare Bilderflut.
Einmal "Female Bodybuilding" in den Gockel eingeben und mehr Fotos bekommen, als man früher in Schubern voller (sauteurer) Magazine gehortet hatte. Und niemand mache mir weis, diese Fotos seien nur aus dokumentarischen Gründen im Web. Nein: Hier geht's auch und gerade um's Sexuelle und um das Zur-Verfügung-Stellen von männlicherseits entsprechend genutztem Bildmaterial.
Um jetzt die Kurve wieder zu bekommen: Das ist aus meiner Sicht nichts Schlechtes, das sagt ja schon der Text im oben stehenden Logo meines Blogs. Aber ab und zu mal drüber nachdenken, was wir Fans da tun und warum welche FBB allergisch auf allzuviel offensichtlich sexuell motivierte Bewunderung reagiert - das kann nicht schaden.
2) Sexismus seitens der Verbände
Da wird es dann richtig heftig. Um es kurz zu sagen: Das war seit dem Moment, als es erste Wettkämpfe mit und für muskulöse Frauen gab, ein Thema. Klar, zum einen hat es was mit der Gesellschaft zu tun. Man muss keiner dieser (in meinen Augen weithin unnützen) Genderforschern sein, um zu sehen, dass ein extrem muskulöser Körperbau bei Frauen als unweiblich abgelehnt wird.
Woher es kommt? Das hatten wir schon mehrfach - daher die Kurzfassung: Gesellschaftliche Traditionen kombiniert mit Auswüchsen des Patriarchats - demnach ist das Schönheitsideal für Frauen immer weithin männlich definiert gelegentlich variierend (je nach Ära und je nach Region), aber äußerst selten so, dass man schwellende Bizeps', stahlharte Trizeps' und breit ausladende Latissimi bei Frauen allgemein gefeiert hätte. Das verträgt sich, so wird unterschwellig kolportiert, nicht mit der Rolle der Frau als Lebensspenderin. Ist natürlich Quark, weil sonst so manches Muskelmaedel ja nie Mutter geworden wäre.
Dennoch unterstellt die Gesellschaft den extrem muskulösen Maedels den Verlust von Weiblichkeit. Da aber die meisten dieser Frauen darauf ebenso viel Wert legen wie wir Kerle auf unsere Männlichkeit, aber ein selbstbestimmtes Leben nach IHREN Wünschen führen und daher ihren Körper nach IHREN Vorstellungen formen wollen, ist diese Unterstellung sexistisch.
Die Bodybuilding-Verbände jedenfalls versuchen immer wieder, den Sport nach den gesellschaftlichen Erwartungen zu formen. Das begann mit der Bizepspose mit der offenen Hand anstatt der Faust, erfunden ausgerechnet von einer FBB-Pionierin und -Funktionärin, Doris Barilleaux. Und dann die Beschränkungen: Vor rund 20 Jahren hielt die IFBB die Kampfrichter an, Athletinnen schlechter zu bepunkten, wenn sie "too big" waren, also zu muskulös. Pünktlich zur Jahrtausendwende kam dann erneut eine entsprechende Regeländerung. Und vor acht Jahren erwischte es dann die Teilnehmerinnen der Ms. International: 20 Prozent(!) Muckis WENIGER waren gewünscht, um mitmachen zu können.
Bei den Männern gibt es selbstredend keine solchen Einschränkungen. Dabei ist die gesellschaftliche Akzeptanz der Muskelberge hier sicher genauso wenig vorhanden. Zumal sich seit den Zeiten von Arnold Schwarzenegger, Franco Columbu, Frank Zane, Robby Robinson, Reg Park oder Steve Reeves ja wohl doch einiges geändert hat: Ich wage mal die These, dass alle diese Burschen heute keinen Stich mehr machen würden. Heute stehen Männer auf der Bühne, deren Äußeres noch weit extremer ausgerägt ist - und gesellschaftlich sicher nicht allgemein akzeptiert.
Halten wir fest: Extremst-Bodybuilding ist gesellschaftlich sicher nicht allgemein akzeptiert, weder bei Männern noch bei Frauen. Aber: Jeder nach seiner Fasson, was auch richtig ist und natürlich auch für den Eisensport gilt. Um es zu präzisieren: Die Gesellschaft AKZEPTIERT es nicht, aber sie TOLERIERT es, sonst gäbe es den Muckikult überhaupt nicht. Wenn aber dann in diesem Sport nur die Frauen mit Verweis auf die gesellschaftliche Akzeptanz Verbands-Regulierungen unterliegen, nicht aber die Männer, obwohl eben diese Akzeptanz auch bei ihnen fraglich ist - ja, dann ist solch eine Regelung sexistisch, Punkt.
Und das mal mindestens genauso wie der Umstand, dass die Athletinnen nur einen Bruchteil der Preisgelder einfahren wie die Athleten. Auch das kann man nicht nur mit dem Hinweis aufs Gesellschaftliche erklären. Nein, das ist ganz klar der Versuch, das Frauenbodybuilding entsprechend zu steuern und in einer bestimmten Ecke zu halten. Dass man dann mit diversen anstößigen P-Wörtern einhergehende Folgen bei den Frauen hervorruft und die derart sich Betätigenden zumindest ächtet, wenn nicht gar ausschließt, das ist dann schlichtweg zynisch.
Zumal die Verbände dabei eins aus den Augen lassen - die Fans. Davon gibt es weit mehr, als die Verbandsoberen annehmen. Beleg: Die unzähligen Seiten, Fotos, Filme, Streams im Internet - die gibt's ja bestimmt nicht nur, damit mattmuscle seinen Blog muskelmaedels.blogspot.de befüllen kann. Nein: Es gibt - ich sage das mal so - Millionen von Fans muskulöser Frauen. Und die wollen Frauen mit Muskeln. Prall, stark, gewaltign, definiert, symmetrisch - und nicht nach irgendwelchen Vorgaben reduziert.
Kurzer Exkurs: Neben dem sexuellen Aspekt spielt für die Anhänger der Muskelmaedels auch derjenige der sportlichen Bewunderung und des Interesses eine ganz gewichtige Rolle. Ich weiß das, weil es bei mir so ist. Und fraglos auch bei vielen anderen Fans aus dieser "Szene". Nun wieder zurück zum Haupt-Argumentationsstrang (ich kenne Wörter ...):
Die Verbandsoberen schneiden sich mit diesem Vorgehen gleich mehrfach ins Fleisch:
- Sie agieren sexistisch.
- Sie verprellen Athletinnen.
- Sie verprellen unzählige Fans, die auch Eintritt für Shows mit richtigen Muskelmaedels zu zahlen bereit sind.
- Sie erreichen TROTZDEM nicht die gewünschte, allgemeine Akzeptanz.
Und: Es ist einfach nur eine Frage der Zeit, bis irgendwer das erkennt und beschließt, in die Lücke zu schlüpfen.
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ich war positiv überrascht, als ich die überschrift zu diesem artikel gelesen hatte. denn über sexismus zu reden halte ich für dringend notwendig, wenn männer wie wir solch einen spezifischen fetisch ausbilden, in dem die eigene sexualität rein objektbezogen bleibt. und natürlich treten wir beim betrachten von bildern und filmen im internet in ein sexistisches verhältnis ein. die frage ist dann, wie wird damit umgegangen bzw. wie wird es bearbeitet. für mich ist dies ein ungelöster widerspruch, wozu ich mir mehr und intensivere auseiandersetzung wünschte.
AntwortenLöschensolch eine auseinandersetzung müsste dann aber bei einem selbst ansetzen, anstatt nur die bösen verbände (die sicherlich auch ihre bedeutung bei dieser problematik haben) anzuklagen. eine (auch nur ansatzweise stattfindete) selbstkritik bleibt daher leider aus. so macht man es sich viel zu leicht ....
i.t.r.t.
Also, Kritik in allen Ehren. Aber hast du denn nicht unter Punkt eins gelesen, was da steht, dass das nämlich auch bei uns Fans losgeht? Dazu wurde hier in diesem Blog auch schon öfters mal was gesagt. Bei mir ist das schon so angekommen - und nicht bloß als Verbandsschelte. Meine Meinung.
AntwortenLöschen-lovesblonde
Lovesblonde und i.t.r.t.: danke für eure Kommentare.
AntwortenLöschenWa Sexismus angeht, dazu habe ich u.a. an dieser Stelle http://muskelmaedels.blogspot.de/2012/01/1-biceps-meets-busen-2-ist-dieser-blog.html schon geäußert, zwar mit Blick auf meinen Blog, aber so, dass man daraus meine Sicht aufs große Ganze ableiten können sollte. In breve:Klar geht's mir um Sex, aber ich versuche nicht zu vergessen, dass ich da einen anderen Menschen vor mir habe. Zur Sexualisierung der Fanszene: Da sollte man unterscheiden - in die, die das kapitalisieren. Und in die, die sich uU verfangen. Natürlich wird's immer mies, sobald es bei dem Thema Sex ums Geld geht, aber das ist nicht nur hier so. Schadet es dem Sport? Ich kann die Frage nicht beantworten. Manche Athletin verdient sich so das Geld, um ihren teuren Sport erst ausüben zu können. Manche Leistung wäre also ohne diese Kapitalisierung des Körpers nicht machbar: eine Art unheilige Symbiose, um mal einen schiefen Vergleich zu wagen. Manches ließe sich abmildern, gäbe es entsprechende Preisgelder, die das ungeheiligte Tun aus Sicht der Athletin überflüssig machen. Bleibt nur eins: Was tun die Fans??? Ich sag's mal so: Rückwärts drehen lässt sich diese Uhr nicht mehr.