Samstag, 2. November 2019

Auch das FBB braucht Geschlechtergerechtigkeit! Ein Essay.

Unweiblich, da zu stark ausgebildete Muskeln?
Für die IFBB immer wieder ja, für mich
sicher nicht ... Zumal das vor allem nur
eine Person was angeht: die Besitzerin dieser
Super-Oberschenkel selber!
Es ist dieser Tage zu vernehmen, dass die IFBB wieder eine Ms.Olympia veranstalten will. Also: Nach mehreren Jahren Pause wäre dann 2020 dieser Wettkampf wieder da, so war's vor einigen Tagen unter anderem in einer Mitteilung von Alina Popa zu lesen (der jetzt im Moment für das fraglos auf ihr Ansinnen in ihrer Heimat zustande gekommene Romania Muscle Fest PRO 2019 in Rumänien alles Gute gewünscht sei). Aber heißt das auch, dass die IFBB dann bei der MS O wieder Muskelmaedels auf die Bühne bringt? Richtige Muskelmaedels?  

Das bringt mich zu einem Satz, den ich weiß Gott wo aufgeschnappt habe, der hier aber passt wie der sprichwörtliche Ar*ch auf den ebenso sprichwörtlichen Eimer: Mit dem Beginn seiner Organisation war Geschlechtsdiskriminierung ein Thema beim Frauenbodybuilding.

Hier die Leute, für die FBB darin besteht, dass Frauen ihre Bodies straffen, mit dem Ergebnis schlanker, sportlicher Figuren, die aber immer noch dem Aspekt der Weiblichkeit unterliegen, also dem, was die Gesellschaft unter "weiblich" versteht. Ah ja: Man könnte auch sagen, dass sich auch darin immer noch das Patriarchat ausprägt - denn das versteht sicher nicht als weiblich, dass die Frau harte, kantige Muskeln hat und stärker ist als der Mann (will sagen: als die meisten davon).

Tut die Frau das trotzdem, unterstellt man ihr schwindende Weiblichkeit. Denn gemäß der allgemeinen gesellschaftlichen Ansichten sind solche Körper etwas, das man mit männlicher Identität in Verbindung bringt.

Bleibt nur zwei Aspekte: Erstens diese Frauen, die Muskeln als einen Teil ihres Daseins ansehen und sich voll und ganz als Frauen ansehen, weil sie voll und ganz Frauen sind. Den Widerspruch in ihrem Tun sehen nur die anderen, nicht die beteiligten Damen selber. Zumal sich trotz allem "typisch weiblich" die Ansichten dazu alle Naslang wandeln, was denn nun schön ist - die als "junonisch" beschriebenen, üppigen Figuren des Wilhelminismus, die Sanduhrfiguren nach dem Zweiten Weltkrieg, die Hungerhaken à la Twiggy und so weiter. Als dann die ersten Bodybuilderinnen kamen, wurde ihnen auch direkt alles Mögliche, aber immer Negative unterstellt - heute würden viele davon kein Achelzucken ernten, denn "Strong is the new Sexy", aber nur solange, wie es dem diffus-amorph definierten gesellschaftlichen Begriff des Weiblichen entspricht.

Das war erstens. Und zweitens? Das sind wir, also die Fans. Die, die oft nach allen Richtungen im Regen stehen: Allem Genderismus, allem Toleranzgeschrei zum Trotz macht man sich immer noch darüber lächerlich, denn wer als Mann es gut findet, wenn eine Frau solche Muskeln hat und womöglich noch stärker ist als die meisten anderen Kerle, ja, nun, der ist alles, nur kein Kerl. Und selbst viele der betroffenen FBB sehen in den Fans immer noch nur den "Schmoe" (auch "Shmoe" geschrieben), also einen Typen, in dem sich Perversion, Heimlichtuerei und Nachschleicherei/Stalking zu verachtenswerter Unmännlichkeit vereinen. Dabei liefert, das sollte man nicht vergessen, der Fan oft den finanziellen Unterbau, der das FBB überhaupt erst möglich macht. Das reicht vom Wettkampfbesuch über den Kauf von Memorabilia und Fanartikeln bis hin zu gegen Entgelt stattfindenden privaten Treffen, ja, mancher übt sich gar in Sponsoring.

Eigentlich sollte man nun erwarten, dass der zuständige Verband nun das, was Fans und Athletinnen wollen, einfach in Regeln gießt und es dann umsetzt. Aber Pustekuchen! Stattdessen hat die IFBB immer wieder nach Gusto der Funktionäre und Geldgeber, aber nicht nach dem der Athletinnen am Regelwerk hantiert, auf dass das FBB den gesellschaftlichen Erwartungen an Weiblichkeit entspreche. Man erinnere sich an die Phase vor gut einem Vierteljahrhundert, als Kampfrichter manche Frau als "too big", sprich: als zu muskulös, in der Wertung abgestuft haben (mal ganz abgesehen davon, dass auch Frauen in unterschiedlichen Körpertypen daherkommen und manche daher von Natur aus massiver ist als andere). 2000 kam eine weitere Vorschrift dieses Typs, 2005 bei der MS. International war dann da die skandalöse Vorschrift, dass die Teilnehmerinnen 20 Prozent weniger Masse bieten sollten.

Den Herren der Schöpfung macht man keine solchen Vorschriften (auch wenn da IMHO längst die Masse über die mit Körperstruktur und -größe einhergehende Gesamtbalance gesiegt hat). Aber den Frauen, denen verlangt man das ab. Als könne das Äußere über die tatsächliche Weiblichkeit entscheiden.

Es gibt da die Arbeit "The female bodybuilder as a gender outlaw" in der Zeitschrift "Qualitative Research in Sport and Exercise" (hier ein Exzerpt), darin sagen Chris Shilling und Tanya Bunsell (ich zitiere aus dem Gedächtnis), alle diese Regeländerungen spiegeln die Bemühungen der IFBB wider, dass die beteiligten Athletinnen möglichst den öffentlichen Erwartungen ans Weibliche zu entsprechen haben, mit der Betonung der Notwendigkeit für die Bodybuilderinnen, sich insgesamt weniger massiv-massig-muskulös zu präsentieren: Logisch geht anders in einem Sport, der ja auch auf das Ausreizen der physischen Extreme ausgelegt ist. Wie gesagt, den Männern wird das nicht verboten, da solcherart Bestreben als männlich gilt, aber den Frauen schon, weil da als unweiblich erachtet. Fragt sich nur, was dann mit den ganzen Transgender-Leuten zu tun ist, die zwar eine weibliche Seele, aber einen Körper mit männlicher Biologie mitbringen, der insgesamt mehr Kraft- und Muskelzuwachs erlaubt ...    

Mag sein, dass extreme Bodybuilderinnen nicht den Geschmack der Masse in Sachen Weiblichkeit treffen. Ja und? Sie treffen aber den Geschmack und den Wunsch an das, was diese Athletinnen selber möchten, nämlich in sich die Grenzen des Machbaren auszuloten. Die Athletinnen sind also in ihrem Tun und in ihrem Ansinnen genauso ernst zu nehmen wie die Männer auch. Ich bin weiß Gott kein Feminist, aber ich sage in etwas überspitzter Form: Wenn's jemand kann, wenn's jemand will, wenn's niemand anderen beeinträchtigt, dann hat auch niemand das Recht, hier einzuschreiten. Sprich: Wenn's den Männern erlaubt ist, muss es auch den Frauen gestattet sein, das ist eine Folge der immer wieder eingeforderten und ja auch weithin im Westen gesetzlich verankerten Geschlechtergerechtigkeit.

Angesichts dessen bin ich mal gespannt, was man da den Muskelmaedels im kommenden Jahr für Auflagen machen wird (wenn's denn überhaupt soweit kommt). Das "Muskeln" und "Weiblich" zusammengehen, das soll dann auch die kleine Collage einer Legende zeigen - Christa Bauch:

 

1 Kommentar:

  1. Anonym11/12/19

    Danke dir Matt, dass du uns allen Lesern hier immer wieder aus der Seele sprichst! Viele Grüße, Max Massive

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--- mattmuscle, der sich über möglichst viele sinnvolle Kommentare und Anmeldungen bei "Wer mitliest - die Muskelmaedel-Community" in der rechten Blog-Spalte freuen würde ...